Kürzlich telefonierte ich mit einem Professor.
Ich brauchte den Leitfaden für das wissenschaftliche Arbeiten seines Fachbereichs, um meine Studierenden in meiner Sprechstunde für diese Hochschule besser beraten zu können.
Wir unterhielten uns eine ganze Weile über die heutigen Studienanforderungen, das Schreiben von Hausarbeiten und die Bewertung einer Bachelorarbeit, da sagte er plötzlich ganz direkt:
„Wissen Sie was? Formales ist mir scheißegal! Die Inhalte sind wichtig, die verwertbaren Ergebnisse.“
Nüchtern betrachtet ist da etwas Wahres dran, denn der Inhalt und vor allem die Ergebnisse sind natürlich das Kernstück einer wissenschaftlichen Arbeit.
Trotzdem war ich leicht irritiert, denn übersetzt heißt seine Aussage:
Die Arbeit kann gestaltet sein beziehungsweise aussehen wie Kraut und Rüben, Hauptsache der Inhalt stimmt.
Er fuhr sinngemäß fort: „Ich weiß, dass ich mit meiner Meinung bei den Kollegen anecke. Die sehen das alle etwas anders. Aber für mich zählen nur die Ergebnisse, die man veröffentlichen und der Welt zugänglich machen kann.“
Ich streite gar nicht ab, dass im (internationalen) Forschungskontext die Ergebnisse und Veröffentlichungen von großer Bedeutung sind.
Trotzdem kann ich mir schwer vorstellen, dass Dozenten und Professoren bei einer Arbeit, die trotz gutem Inhalt aussieht wie der erste Gehversuch in Word und vor Grammatikfehlern nur so strotzt, begeistert Hurra schreien.
Ich zumindest mache das nicht und runzle tief ausatmend ganz arg die Stirn.
Unabhängig von einer wissenschaftlichen Arbeit wirst du mit großer Wahrscheinlichkeit auch jenseits deines Studiums Texte und Unterlagen für Vorgesetzte, Kunden oder Kollegen verfassen müssen – und da kann es nicht schaden, wenn du Wert auf formal korrekte Werke legst.
Kurz und knapp gesagt:
Formales – Methoden – Inhalt
Diesen drei Hauptkriterien und ihren diversen Unterkriterien habe ich bereits einen ausführlichen Blogartikel 10 Kriterien, die du für die Bewertung deiner Doktorarbeit kennen solltest gewidmet, den du hier nachlesen kannst. (Die Kriterien gelten selbstverständlich auch für alle anderen Seminar- sowie Bachelor- und Masterarbeiten.)
Ich möchte in diesem Artikel aber noch mal darauf hinweisen, warum alle drei Hauptkriterien wichtig sind und du auch das Formale nicht aus den Augen lassen solltest!
Denn in der Summe bilden alle Kriterien die Endnote deiner wissenschaftlichen Arbeit. Und es wäre schade und ärgerlich, wenn dir aufgrund von Nachlässigkeit bei der formalen Gestaltung leicht verdiente Punkte flöten gehen.
Unter Formales werden zum Beispiel die einheitliche Gestaltung der Arbeit, die Vollständigkeit und der Umfang, die Zitation sowie Rechtschreibung und Grammatik benotet.
Die Arbeit optisch ansprechend zu gestalten, scheint auf den ersten Blick keine große Herausforderung zu sein, wenn man das entsprechende Schreibprogramm beherrscht.
Allerdings habe ich im Laufe der letzten Jahre häufig optisch (sehr) gut gestaltete Arbeiten gesehen, bei deren aufgeräumten Anblick ich sofort Lust bekam, den Inhalt zu lesen – in der der Erwartung, dass der Inhalt ebenfalls klar dargestellt ist.
Manchmal war dem aber nicht so, weil inhaltliche und methodische Schritte unklar waren oder fehlten, der Umfang entweder über- oder unterschritten wurde, die Rechtschreibung und Grammatik grottig war und/oder nicht korrekt zitiert wurde.
Merke: Eine optisch gut gestaltete Arbeit macht Spaß zu lesen. Sie irritiert das Auge nicht und leitet flüssig durch den Text.
Zu einem flüssigen Lesegenuss gehört aber eben nicht nur die optische Gestaltung (was viele unter formal verstehen), sondern die Summe aller formalen Anforderungen (siehe oben), die in die Bewertung mit einfließen.
Wenn ich Arbeiten benote, dann hat das Hauptkriterium Formales für mich tatsächlich am wenigsten Gewicht, wobei ich mich natürlich immer über optisch ansprechende Arbeiten mit korrekter Rechtschreibung freue.
Steht die Note jedoch auf der Kippe, ist Formales mein Zünglein an der Waage.
Und auch das von vielen anderen Dozenten.
Randnotiz: Mir ist übrigens noch nie eine methodisch und inhaltlich sehr gute Arbeit untergekommen, die formal schlecht gestaltet war.
Unter Methoden werden die Methodenauswahl und -anwendung sowie die Ergebnisinterpretation bewertet. Hierbei sind immer der Bezug zu der Problem- oder Fragestellung und die Nachvollziehbarkeit beziehungsweise Stimmigkeit in der Anwendung ausschlaggebend.
Was ich oft gelesen habe, waren methodisch nicht durchdachte und damit leider oft auch inhaltlich schlechte Arbeiten.
Das passiert immer dann,
Bei der Benotung wird auch darauf geachtet, ob du deine Methodenwahl angegeben und begründet hast. Dafür erstellst du in der Regel ein Methodenkapitel, mit dem der Leser nachvollziehen kann, warum du was in deiner Arbeit machst und wie du zu deinen Ergebnissen gekommen bist. Bei qualitativen Methoden ist dies umso wichtiger, weil der Standardisierungsgrad niedrig und der Interpretationsspielraum hoch ist.
Lässt du diesen Schritt aus und setzt dich nicht intensiv mit deiner Vorgehensweise auseinander, musst du zumindest mit einer schlechte(re)n Teilnote für deinen Methodenteil rechnen.
Unter Inhalt werden unter anderem die Problemstellung und Zielsetzung, die Argumentation, der sprachliche Ausdruck sowie die Literaturnutzung unter die Lupe genommen.
Inhaltlich „schwammige“ Arbeiten sind keine Seltenheit und fußen zum Großteil auf einer Frage-/Problemstellung, die zu breit/allgemein oder zu uneindeutig formuliert ist. Folglich kannst du gar nicht alles bearbeiten, was du dir vorgenommen hast oder du weißt nicht, was du eigentlich genau bearbeiten willst.
So kratzt du inhaltlich immer an der Oberfläche, eierst um das Thema herum und kommst nicht auf den Punkt.
Ein sicheres Indiz für eine „Ich weiß nicht, wohin die Reise gehen soll“-Arbeit ist immer eine nicht enden wollende Einleitung, in der in jedem dritten Satz thematisch ein neues Fass aufgemacht wird.
Bedenke auch: Je kürzer deine Arbeit ist, desto wichtiger ist ein regelmäßiger Check, ob du noch am Thema „dran bist“. Auf 15 Seiten einer Hausarbeit kannst du dir weniger Schlenker erlauben als auf 200 Seiten einer Doktorarbeit.
1. Beachte die formalen Vorgaben im Leitfaden für wissenschaftliche Arbeiten deines Fachbereichs und halte dazu Rücksprache mit deinem Betreuer. Gibt es keinen Leitfaden, dann sprich dich mit deinem Betreuer ab, welche Vorgaben gelten sollen.
2. Es gibt eine vorformatierte Vorlage der Hochschule? Dann verwende sie und spare dir das Formatieren einer eigenen Vorlage.
3. Lies deine Arbeit unbedingt Korrektur oder lasse sie gegenlesen. Wenn Rechtschreibung und Grammatik nicht zu deinen Stärken gehören, suche dir jemanden, der fit darin ist.
4. Formuliere eine glasklare Fragestellung, die du in deiner Arbeit bearbeiten willst. Nicht Wischiwaschi, nicht schwammig und auch nicht 10 verschiedene Aspekte in der Frage.
5. Du möchtest eine bestimmte quantitative oder qualitative Methode in deiner Arbeit anwenden? Dann überprüfe, ob die Methode geeignet ist, um deine Fragestellung zu beantworten. Ist sie es nicht, ändere die Fragestellung oder die Methode (und halte dazu Rücksprache mit deinem Betreuer).
6. Denke daran, deine Methodenwahl in der Arbeit zu begründen und in deinen Forschungszusammenhang zu stellen. „Ich wollte Methode X durchführen“ oder „In der Arbeit führe ich Methode Y durch“ ist keine ausreichende Begründung!
7. Beachte die vorgegebene Seiten- oder Wörterzahl (+/-) für deine Arbeit. Das Unter- oder Überschreiten kann zu Abzügen führen. Manche Hochschulen sind da sehr streng.
8. Konkretisiere deine Fragestellung so weit, dass du dein Thema gemäß der vorgegebenen Seiten- oder Wörterzahl bearbeiten kannst.
9. Achte darauf, wissenschaftliche Quellen zu nutzen. Suche dir ausreichend Literaturquellen und sorge für eine ausgewogene Zusammenstellung der Quellen. Nein – drei Bücher als Quellenangabe sind für eine Abschlussarbeit nicht ausreichend und ein komplett aus Internetquellen bestehendes Literaturverzeichnis ist keine ausgewogene Zusammenstellung.
10. Und zu guter Letzt ein Tipp gegen Betriebsblindheit: Lass deinen neu geschriebenen Text zwei Tage liegen und überprüfe mit frischem Kopf, ob der Text dann immer noch stimmig für dich ist. (Mache ich übrigens heute noch so, auch bei Blogartikeln.)
Die Bewertungskriterien und die Gewichtung für die Benotung kann man manchmal einsehen. Ist dies an deiner Hochschule oder in deinem Fachbereich möglich, dann wirf gerne einen Blick darauf. Alternativ frage deinen Betreuer, was besonders wichtig ist.
Herzliche Grüße
Sandra
für deine erfolgreiche Bachelor-, Master- oder Doktorarbeit
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